Doreen Trittel ist Künstlerin und Impulsgeberin und stellt in ihrem artilda Gastbeitrag Fragen an die eigene Kreativität und erzählt von ihrem Weg als Künstlerin.

    Du hast Dir bestimmt auch schon einmal selbst Fragen gestellt. Wie sahen die Antworten aus? Ich liebe Fragen. Ich bekomme gern Fragen gestellt. Ich stelle gern Fragen. Und doch habe ich als Künstlerin und Impulsgeberin Probleme damit, einfach Fragen zu stellen.

    Aber, warum?

    Ich bin in einem Land und in einer Familie aufgewachsen, die mit Fragen nicht gut umgehen konnten. Ich war 16 Jahre alt, als die Mauer fiel. Etwa 24 Jahre später wurde mir bewusst, dass mein Vater Hauptamtlicher Mitarbeiter bei Ministerium für Staatssicherheit, bei der Stasi, war. Schon sehr früh habe ich gelernt, keine Fragen zu stellen. Mit Anfang dreißig habe ich damit begonnen, dieses Muster aufzulösen.

    Heute mit Mitte vierzig bin ich Künstlerin und Impulsgeberin. Ich lebe und arbeite in Berlin, Charlottenburg. In Collagen, Installationen, Fotografien und Texten setze ich mich mit Erinnerungen auseinander. Ich betrachte einzelne Elemente daraus und verändere sie. Dabei fasziniert mich der Prozess der Veränderung.

    Was bedeutet mir die Kreativität?

    Kreativität ist für mich Leben, auch Überleben. Wir kommen als kreative Wesen auf die Welt. Kreativität zeigt sich schon in Überlegungen und alltäglichen Handlungen. Gehen wir den Weg geradeaus weiter oder nehmen wir die Abbiegung nach links? Welche Worte benutzen wir, um etwas Erlebtes zu beschreiben, eine Bitte zu formulieren? Wie sehe ich die Welt, mein Umfeld und mich? Wie organisiere ich meinen Tag? Diese und ähnliche Fragen zeigen für mich, wie breit, wie vielfältig Kreativität für mich ist. Kreativ zu sein ist weit mehr, als ein Bild zu malen. Kreativ zu sein ist erschaffen. Wir erschaffen etwas.

    Der künstlerische Ausdruck begleitet mich schon mein Leben lang. Mal stand das Schreiben im Mittelpunkt, mal das Fotografieren. Bilder und Schnipsel für Collagen habe ich schon als Kind gern gesammelt. Doch habe ich lange gebraucht, um meine Vielfalt vereint und gleichberechtigt leben zu können. Dies kam dann mit dem Bewusstsein meiner Familiengeschichte. Es fühlte sich an, als wenn meine unbestimmte Suche ein Ende hätte. Antworten kamen, aber gleichzeitig viele neue Fragen…

    Was war das Kreativste, was ich in letzter Zeit gemacht habe?

    Lässt sich Kreativität steigern? – Das frage ich mich gerade… Aber mein Beitrag zu Deiner Blogparade „Kreativität im Business“, Eva, habe ich spontan als Text-Collage kreiert. Aktuell formuliere ich Konzepte, um konkrete und hilfreiche Impulse aus meiner Geschichte herauszuarbeiten. Künstlerisch beschäftige ich mich aktuell mit dem DDR-Kinderlied „Kleine weiße Friedenstaube“… Erste Ideen für Collagen / Assemblagen konkretisieren sich für mich, bevor ich bald in die Umsetzung gehe.

    Doreen Trittel wirft auch mit ihrer Kunst Fragen auf.

    Doreen Trittel: Postkartengrüsse, Collage

    Chaotisch oder ordentlich?

    Ich arbeite gern in der absoluten Stille für mich allein. Dann gibt es aber auch Momente, in denen ich die Geräuschkulisse eines Cafés sehr inspirierend finde. Unter und um meinen Arbeitsplatz herum horte ich gern verschiedene Materialien und Erinnerungsstücke. Dann gibt es aber auch Phasen, in denen ich radikal ausmisten kann. Ich möchte mich in die Tiefe der Dunkelheit wagen und die Leichtigkeit des Lichts spüren. Diese Gegensätze zeigen sich mitunter auch in der Vielfalt meiner Ausdrucksformen und Themen.

    Mit wem würde ich gern einen Tag lang tauschen?

    Spontan denke ich an die Künstlerin Marina Abramovic. Ja, ich denke, mit ihr würde ich gern mal einen Tag lang tauschen. Sie ist in ihren Performances sehr radikal und geht über eigene Grenzen hinaus. Dadurch bringt sie Themen in die Welt, die zum Nachdenken, zum Umdenken, zum Weiterdenken und vor allem Fühlen anregen.

    Doreen Trittel: Neurodnung-Collage

    Ich war nie ein politischer Mensch. Harmonie stand für mich an vorderster Stelle.

    Doch seitdem das Thema „Stasi“ ganz persönlich mit mir zu tun hat, und ich mich mit den aktuell politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen mit den Prägungen meiner ostdeutschen Kindheit betrachte, komme ich mehr und mehr dazu, selbst Stellung zu beziehen, selbst meine Stimme zu erheben – auf meine Art.

    Da ist mir Marina Abramovic in ihrer konsequenten Arbeit zu einem weiteren Vorbild geworden. Auch wenn ich ihre Radikalität gegenüber Künstlerinnen, die Mütter sind, ablehne.

    Aber auch die mutigen Lebenswege und schonungslosen Arbeiten der Künstlerinnen Frida Kahlo, Meret Oppenheim, Niki de Saint Phalle, Annegret Soltau, Jenny Holzer, Cornelia Schleime und des Künstlers Ulay begeistern mich.

    Sind Veränderungen eine Herausforderung?

    Oh ja. Veränderungen sind nicht immer einfach, mitunter schmerzvoll. Aber in meinem Leben hat sich viel verändert. Aber auch die Welt hat sich sehr verändert. Das Leben ist Veränderung.

    Alles, was aus dem Meer der Erinnerungen zu etwas Verändertem oder gar Neuem erwächst, berührt mich. Ich betrachte Elemente aus verschiedenen Lebensphasen und spiele mit ihnen. In Form von Werkgruppen, Serien und einzelnen Bildern versuche ich mich den Themen und Fragen, die mir auf unterschiedlichen Wegen begegnen, zu nähern, den Blickwinkel zu verändern und neue Perspektiven zu erkennen, in die Tiefe zu gehen. Dabei fasziniert mich der Veränderungsprozess von der Vergangenheit, über die Gegenwart, hin zur Zukunft.

    Mich beeindrucken Menschen, die trotz Schwierigkeiten, ihrem inneren Drang folgen, und die, wie es Gandhi einmal formulierte, versuchen, selbst die Veränderung zu sein, die sie sich für diese Welt wünschen.

    In eigene Fragen abtauchen, in die Fragen anderer? Probiere es doch einmal aus. Du wirst von Dir überrascht sein. Bleib neugierig und hab keine Scheu, selbst Fragen zu stellen.

    Ich übe mich darin und in diesem Jahr, wo wir den 30. Jahrestag des Mauerfalls begehen, habe ich eine Interview-Reihe ins Leben gerufen. Nun stelle ich auch in Video-Gesprächen Fragen, Fragen zu den Geschichten meiner Gesprächpartner*innen und deren Erkenntnissen. Wir sprechen über Schubladen, die nicht passen, darüber,

    Künstlerin Doreen Trittel stellt Fragen an ihre Kreativität.

    Künstlerin Doreen Trittel

    dass wir mehr sind als unsere Herkunft, über Verbindungen und Freiheit. Hier geht es zu meiner Interview-Reihe.

    Doreen Trittel

    Künstlerin & Impulsgeberin

    hehocra: Atelier für Erinnerung & Veränderung

    Webseite: www.hehocra.de

    Instagram: @hehocra

    Danke für Deinen Gastbeitrag bei artilda, liebe Doreen.

    Und wer steckt hinter artilda?
    Ich bin Eva Peters, freie Künstlerin, Kreative und Autorin des Kartensets Sommermalzeit. Und ich möchte Dich mit artilda gerne in Deiner Kreativität und in Deinen Gestaltungsmöglichkeiten ermuntern.

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