Der Krebsratgeber von Sabine Dinkel: Krebs ist, wenn man trotzdem lacht.

     

    Ich sitze in der Bahn und fiepe beim Lesen hin und wieder still vor mich hin. Glücklicherweise fragen mich die Mitreisenden nicht nach dem Titel meiner lustigen Lektüre. Denn es ist ein Krebsratgeber. Krebs ist, wenn man trotzdem lacht von Sabine Dinkel, erschienen im Humboldt-Verlag.

    Mit diesem 160 Seiten starken Thema ist der Hamburger Autorin ein Spagat gelungen, der alles andere als ungelenk ist. Das Buch lädt tatsächlich ein, sich mit Themen zu befassen, um die wir meist einen Bogen machen, bis sie uns das Leben ungefragt vor die Füße wirft. Sabine schafft das mit ihrem Humor, auf eine charmante und sehr liebenswerte Art. Und dieser feine Humor nimmt der Krankheit und dem Blick auf die Endlichkeit unseres Daseins das Beängstigende.

    Wie Sabine gehöre auch ich zu den Dünnhäutigen und lege jegliche Gruselliteratur inklusive Medikamenten-Beipackzettel beiseite, sofern mir das möglich ist. Ich lese normalerweise keine Krankenratgeber oder Erfahrungsberichte von Kranken. Aber auf dieses Buch war ich gespannt, weil ich über die sozialen Medien schon positiv eingestimmt war. Und ich stelle fest: es ist gar kein Krebsratgeber, sondern ein Motivator für das eigene Leben.

    Wie kommt dieser Krebsratgeber in den artilda Blog?

    Warum schreibe ich jetzt über „Krebs ist, wenn man trotzdem lacht“? Und warum stelle einen Krebsratgeber im artilda Blog vor? Wo ist der Bezug von Krebs zu Kreativität und Freude am Malen und Zeichnen?

    Sabine kenne ich als Teilnehmerin der artilda Sommermalzeit, sie war gleich zu Beginn des kreativen Mitmachprojektes im Juli 2015 mit dabei. Nach ihrer Erkrankung begann Sabine bereits im Krankenhaus damit, ihre Krankheitsgeschichte zu zeichnen. Zunächst für sich selber, dann ging sie mit ihren Zeichnungen raus. Nach und nach in immer größer werdende Personenkreise und zeigte ihre Bilder auch auf Facebook. Letztlich wurde aus ihren Zeichnungen ein Comic, der demnächstals E-Book erhältlich ist. Das Zeichnen spielt bei Sabine also eine große Rolle im gesamten Prozess ihrer Erkrankung und auch in der Kommunikation mit anderen. Denn es sind wahre Geschichten, mit besonderem Humor und Strich. Nicht immer mit glücklichem Inhalt, aber mit Geschichten aus dem echten Leben und allen Facetten von Erkrankung, von Reha und dem Alltag dazu.

    Autorin Sabine Dinkel

    Autorin Sabine Dinkel (Foto: Ruth Frobeen – www.edelfrosch.de)

    Eine persönliche Geschichte

    Der frisch veröffentlichte Ratgeber Krebs ist wenn man trotzdem lacht ist neben dem Comic ein weiteres Werk aus der Feder von Sabine Dinkel. Auch hier griff die Autorin zum Zeichenstift und steuerte Illustrationen bei. Meist im Dreierpack sind es kleine Geschichten oder die verschiedenen Facetten eines Themas. Beispielsweise die Illustrationen zur unfreiwilligen Reise auf den Planet Schnieptröte.

    Und hier zeigt sich schon ein weiteres kreatives Augenzwinkern von Sabine und ihre Fähigkeit zum Gestalten: sie gibt schlimmen Dingen einen anderen Namen. Neben der Schnieptröte tauchen die Bauchflöhe, die Schorle und die Appetitwichtel auf. Der Krebs wird dadurch nicht verharmlost, aber er verliert beim Lesen und im Gespräch seinen lähmenden Beigeschmack. Durch Bild, Text, Zitate und auch Witze werden Situationen verarbeitet, und das Humorige oder auch Groteske mancher Situation.

    Sabine erzählt dabei viel von ihrer eigenen Krankheit und teilt auch die Erfahrungen ihrer Mitpatienten. Auch über ihre verstorbenen Eltern erfahren wir, was es mit Krankheit und Tod auf sich hat. Das klingt nicht einladend, oder? Aber Sabine bringt alle Betroffenen so ins Spiel, dass es interessant und liebenswert ist. Der persönliche Blick wird nie zu persönlich oder driftet ab ins Voyeuristische. Und wir erkennen auch, wie wir selber vom Elternhaus geprägt sind und erfahren die Bandbreite, wie mit der Krankheit umgegangen wird.

    Ein Buch über das Leben, das jeder lesen sollte

    Ärzte übrigens auch …. Wir wissen nicht, ob wir selber oder ein Angehöriger eines Tages die unfreiwillige Reise zum Planeten Schnieptröte antreten werden. Ganz gewiss aber werden wir alle einmal diese Welt verlassen. Die Themen Krankheit und Tod gehen vor allem Betroffene an, also jeden. Und was soll ich sagen, das Buch weckt und motiviert, den eigenen Alltag ein bisschen abzuklopfen, ob wir so leben wie wir leben möchten und auch einmal genauer hinzuschauen, wofür wir dankbar sein können. Das alles wird weder betulich noch gräulich beschrieben, sondern mit einer Prise Frische und Munterkeit.

    Der Ratgeber wendet sich in erster Linie an Erkrankte, Angehörige, aber auch an Menschen, die vielleicht beruflich mit Krebskranken im Kontakt sind. Ich finde, dass jeder dieses Buch lesen sollte.

    Gestaltung gilt auch für Leben, Krankheit und Tod

    Mir gefällt auch Sabines Entscheidung, das Leben zu genießen. Ihre Kraft, die guten Seiten zu sehen, die neuen Kontakte zu pflegen, ihre Weise, das Leben zur Krankheit zu gestalten und ihre Entscheidung, den Comic und den Ratgeber zu veröffentlichen. Denn Sabine zeigt damit, welchen Gestaltungsraum es gibt und welche Kraft und Energie solche Kreativität geben können, auch in unschönen Lebenssituationen.

    Achja, und es geht natürlich um Krebs, von der 1. Diagnose, der Lähmung dazu, und weitere Schritte im Krankenverlauf. Dazu gibt es Tipps für Körper und Seele, Erfahrungen, Ideen für Momente des Zweifels, Kommunikation mit den Ärzten und auch eine Menge Links, um sich tiefer mit den Themen zu befassen.

    Zu dem Buch gibt es vom humboldt-Verlag verschiedene Postkarten, zum Beispiel das Bullshit Bingo, mit Aussagen, die Betroffene oft hören, wenn sie von ihrer Erkrankung berichten. Die Karten mit Sabines Illustrationen sind für Praxen und Einrichtungen gedacht und können kostenlos bei der Autorin per E-Mail an gutentag@sabinedinkel.de bestellt werden. Erkrankte können auch einzelne Sets bekommen.

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    Das Buch liest sich gut und ist eine Bereicherung, also: lesen!

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