Weniger ist mehr. Das kann auch beim Kunstmachen als Prinzip eingesetzt werden.
    In diesem Artikel schauen wir uns daher einige Aspekte der Kunst des Weglassens an.

    Warum Reduktion Kreativität stärkt

    Kreativität entsteht nicht immer durch „mehr“. Im Gegenteil: Oft bringt eine Reduktion oder eine Begrenzung den entscheidenden Funken in der Malerei und beim Zeichnen. Wenn wir uns selbst Beschränkungen setzen, sei es weniger Farben zu verwenden, weniger Materialien oder weniger Details, zwingt uns das, neue Wege zu finden.

    Minimalismus bedeutet nicht, dass etwas fehlt, sondern dass nur das Wesentliche bleibt. Wer bewusst reduziert, schärft den eigenen Blick für das, was wirklich zählt.

    Negative Space: Die Kraft der Leere

    Manchmal ist es auch das, was wir nicht zeichnen, das ein Bild besonders macht. „Negativer Raum“, also die Flächen zwischen und um die gezeichneten Objekte, spielt dabei eine wichtige Rolle.

    So ein Weglassen schafft Balance, Ruhe und Fokus, solche Flächen können aber auch Dynamik erzeugen. In der Malerei, Fotografie oder auch in der Typografie ist der bewusste Einsatz von Leere ein Gestaltungsmittel, das Spannung erzeugt und den Blick des Betrachters lenkt.

    Beim Betrachten von Motiven, die man zeichnen oder malen möchte, kann man diese Flächen auch für sich nutzen, denn Negativräume bieten eine große Hilfe.

    Weniger ist mehr: Material- und Farbwahl

    Hast Du schon einmal versucht, nur mit einem Bleistift zu arbeiten? Oder ein ganzes Bild mit nur zwei Farben zu malen?

    Solche Einschränkungen öffnen neue Türen. Wenn nicht alles möglich ist, entsteht automatisch ein klarerer Ausdruck.
    Eine begrenzte Farbpalette, aus der wir weitere Farben zum Malen mischen, sorgt für Harmonie, weil die Elemente gut zusammenzuspielen.

    Wenige Materialien wiederum fördern die Konzentration auf Technik, Komposition und Idee und nicht auf die Auswahl im Stiftebecher. Wer sich ein edles Set mit 120 Buntstiften oder Aquarellfarben gönnt und bisher wenig Erfahrung damit hat, weiß nicht welches Grün denn jetzt das vermeintlich richtige für das Baumbild ist und kann sich damit leicht verzetteln. Wer sich bewusst für 3-4 Farben entscheidet, kann damit schon ein schönes Herbstbild malen.

    Fokus durch Weglassen von Details

    Für viele ist es verlockend, in Zeichnungen oder in der Malerei jedes kleine Detail festzuhalten. Doch oft wirkt ein Werk stärker, wenn wir uns auf die Essenz beschränken. Das bedeutet: nicht alles zeigen, sondern das Wichtigste betonen. Das gilt für Porträts, Landschaftsbilder, Stillleben, eigentlich für alle Arten von Motiven. Was das Wichtigste ist, entscheidet allein die Person, die das Bild gestaltet. Vor vielen Jahren habe ich Bilder von Menschen gemalt, aber das Gesicht gar nicht weiter ausgearbeitet, weil ich die Stimmung nicht durch Mimik erzeugen wollte.

    Ein reduziertes Bild lässt Raum für Interpretation. Der Betrachter kann seine eigene Geschichte in die offenen Stellen hineinlegen und es wird interessanter, sich mit dem Bild zu befassen. So entsteht eine Art Dialog zwischen Werk und Publikum und nicht nur eine bloße Abbildung.

    Reduktion als Schritt zur Abstraktion

    Beim Malen und Zeichnen zu reduzieren ist auch eine gute Übung, um ausgehend von einem Motiv abstrakt zu malen. So kann man immer mehr Weglassen und sich nach und nach von dem Motiv lösen und für sich anderes entdecken. Das kann das Zusammenspiel der Farben sein, der Rhythmus oder ein ganz neues Thema.

    Das Bild entsteht im Kopf des Betrachters

    Diese vermeintliche Leere kann auch für etwas stehen, das wir nicht zeichnen. Aber für den Betrachter entsteht im Kopf dennoch ein Gesantbild. So kann das Bild von einem Teich entstehen, indem wir z.B. einen Steg zeichnen, Gräser, Enten auf dem Wasser. Aber den Teich selber zeichnen wir nicht.

    Bei Bildbetrachtungen lohnt es sich daher oft, zweimal hinzuschauen und sich zu fragen: was sehe ich wirklich und was reimt sich mein Gehirn zusammen?

    Vielleicht kennst Du es auch von Poträts, bei denen Auge, Nase und Mund nur angedeutet sind, aber es entsteht dennoch ein Ausdruck. Beim Malen von Menschen habe ich solche Details angedeutet, indem ich mit Moorlauge auf dem Acrylbild wenige Striche gezeichnet habe.

    Frau in Pink und Grün, Acryl und Moorlauge auf Leinwand

    Die Kunst des Weglassens beim Bilderausstellen

    Zwischenraum und Reduktion sind auch für die Bilderhängung wichtig, wenn man eigene Bilder ausstellt. Gerade wer zum ersten Mal Bilder ausstelt, neigt leicht dazu, möglichst viele Bilder aufzuhängen. Aber die Bilder wirken eher, wenn sie mit Abstand aufgehängt werden. Es sei denn, die Bilder wurden als Serie gemalt und sollen entsprechend ausgestellt werden oder man entscheidet sich bewusst für eine Salonhängung.

    3 Übungen zum Ausprobieren des Weglassens

    Du möchtest das Reduzieren und Weglassen beim direkt ausprobieren?
    Dazu 3 kleine Anregungen:

    • Reduktions-Übung: Nimm ein Motiv deiner Wahl und zeichne es erst mit fünf Linien, dann mit drei und schließlich mit nur einer Linie. Du wirst merken, wie stark selbst die einfachste Version wirken kann.
    • Farb-Challenge: Erlaube Dir für ein Bild nur zwei Farben. Spiele mit Kontrasten, Flächen und Übergängen.
    • Weglass-Tagebuch: Versuche jeden Tag eine kleine Skizze, bei der Du bewusst etwas weglässt, seien es Details, Farben oder Materialien. Mit der Zeit wirst Du merken, dass Reduktion ein kreatives Werkzeug ist und nicht nur Verzicht.

    Fazit

    Es ist eine bewusste Entscheidung, sich zu beschränken oder etwas wegziulassen. Das kann die Kreativität fördern und wir können dabei für uns beim Gestalten Neues entdecken. Auch für Betrachter können die verschiedenen Facetten, die das Weglassen mit sich bringt, interessant sein und es macht neugierig, sich so einem Bild auf verschiedenen Wegen zu nähern.

    Das Zeichnen von Negativraum findest Du auch als Anregung in der artilda Sommermalzeit.
    Das Kartenset mit 50 Inspirationen zum Malen, Zeichnen und Skizzieren.

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